Christoph Schindler

Christoph Schindler

Fragen an Christoph Schindler – Steinbildhauer aus Obertshausen Herr Schindler, was hat Sie ursprünglich zur Bildhauerei geführt – und warum gerade Stein? Zunächst das Bedürfnis, am Ende des Tages etwas Bleibendes in Händen zu halten. Von Bildhauerei/Kunst war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht die Rede. Der Reiz des Unvorstellbaren war es, der mich zum Stein führte. Stein kontrolliert nach eigenen Vorstellungen in Form zu bringen, war undenkbar. Die eigene Erfahrung hatte nur Zerstörung oder unkontrolliertes Brechen durch/mit Stein anzubieten. Holz z.B. hatte diesen Zauber nie. Holz umgab mich in meinem Elternhaus, es wurde geschreinert und geschnitzt. So schön Holz auch war und ist, es war gewöhnlich und vertraut. Ihre Arbeiten wirken sehr klar, fast architektonisch. Ist das bewusst so gewollt oder entsteht die Form aus dem jeweiligen Material? Zuhause wurde nicht nur Holz in zweckdienliche Form gebracht, im Architekturbüro meines Vaters wurde Lebensraum geplant, strukturiert, bis ins Detail gestaltet und gebaut. Ab einem bestimmten Punkt meiner Entwicklung wurde mir bewusst, dass nicht nur die Skulptur mein Thema ist, sondern ebenso der sie umgebende und/oder von ihr umschlossene Raum. Das Verhältnis von gebautem Raum (Architektur) zu Figur/Mensch rückte ins Zentrum der Betrachtung. Die in Bauwerken ablesbaren gesellschaftlichen Strukturen in verschiedensten Kulturen fanden mein Interesse ebenso die Fußabdrücke historischer Bauwerke (Grundrisse), die ich z. B. nach anthropomorphen Mustern durchforstete. Als Material für meine architektonisch anmutenden Arbeiten verwende ich gerne „einfaches Baumaterial“ wie Sandstein o.ä., welches nicht die Möglichkeit der Politur anbietet. Wie gehen Sie an ein neues Werk heran? Beginnt alles mit einer Skizze? Da gibt es verschiedene Wege. Manchmal steht eine Skizze am Beginn, es folgt ein Modell z.B. aus Holz, dann entscheide ich welches Material in welcher Dimension passt. Manchmal zeichne ich die Form, von der es nur eine vage Vorstellung gibt, direkt auf den rohen Block auf und konkretisiere sie dort. Hier spielen Strukturen oder auch Fehler des Steines eventuell mit in die Gestaltung hinein. Ein weiterer Weg zur Skulptur ist der des direkten Hauens. Am Anfang stehen Stein und Bildhauer. Es gibt keine Idee, nur den Stein in seiner Beschaffenheit und den Steinhauer in seiner Verfassung, Prägung, Stimmung…. Was dann Schlag für Schlag beginnt, könnte man für ein Gespräch zwischen den beiden halten. Es ist aber vielmehr ein Monolog des Bildhauers im Stein. Diese Arbeitsweise ist ein bisschen wie Tagebuchschreiben in Stein. Das Besondere an diesem Weg ist, dass sich Form und Inhalt gleichzeitig entwickeln und ein hohes Maß an Ver-Dichtung entsteht. Der Weg über Tonskizzen oder andere additive Verfahren zur Skulptur zu gelangen, hat sich für mich als unpassend dargestellt. Ich bin eindeutig Bild-hauer, nicht -kneter. Ihre Arbeiten findet man sowohl im sakralen Raum wie auch in öffentlichen Bereichen. Welche unterschiedlichen Anforderungen bedeutet das für Ihre Arbeiten? Ein Kernproblem beider Bereiche stellt die Dimensionierung der Arbeit in Beziehung zum betrachtenden/nutzenden Menschen und dem umgebenden Raum dar. Da der Mensch Skulpturen oder Arbeiten im freien Raum zunächst unwillkürlich körperlich wahrnimmt, gibt es ein direktes Empfinden zu menschengemäßer oder monumentaler Gestaltung. Im sakralen Raum ist die Aufgabenstellung ungleich komplexer. Der sakrale Raum ist durch eine reichhaltige tradierte Bildsprache geprägt. Die Gestaltung der liturgischen Orte hat sich zum einen an tradierten Symboliken zu orientieren, aber auch zeitgemäßen Formen der Liturgie Raum zu geben. Trotzdem ist eine Gestaltung im Sakralraum erst dann gut, wenn nicht jedes Formelement herzuleiten und erklärbar ist, wenn auch der Zufall im Arbeitsprozess mitreden darf. Ein bedeutender Teil Ihrer Arbeit ist die Erhaltung jüdischer Grabstätten. Wie ist diese Verbindung entstanden – und was bedeutet sie Ihnen persönlich? Die Annäherung kam durch eine künstlerische Arbeit für den Jüdischen Friedhof in Seligenstadt. Es galt Grabsteine, die in Kriegszeiten zerschlagen und für den Hausbau missbraucht wurden, nach deren Rückführung auf den Friedhof in würdiger und sinnvoller Weise zu zeigen. Mittlerweile berate ich Kommunen bei Instandsetzungsmaßnahmen auf den hessischen Jüdischen Friedhöfen in steintechnischen und künstlerischen Fragen. Jüdische Friedhöfe unterscheiden sich von unseren kommunalen Friedhöfen dadurch, dass sie auf ewig angelegt sind. Die Totenruhe darf nie gestört werden. Ich sorge durch meine Arbeit im Zusammenspiel mit den Kommunen, Kreisverwaltungen und dem Land Hessen für die Erhaltung und würdige Sichtbarmachung der vorhandenen Grabmale. 2022 wurde Ihre Ausstellung „Essenzen“ gezeigt. Welche Themen oder Werke lagen Ihnen dort besonders am Herzen? Der Titel der Ausstellung weist auf eine zweifache Essenz hin: Zum einen kamen Arbeiten aus verschiedenen Werkgruppen der vergangenen ca. 25 Jahren zur Ausstellung, die Essenz meines bisherigen Schaffens also. Zum anderen weist der Titel auf ein hohes Maß an inhaltlicher und formaler Verdichtung in meinen Skulpturen hin. Ich glaube, wir (Stein-)Bildhauer haben während des Arbeitsprozesses einfach jede Menge Zeit uns über Sinn und Gehalt der Skulptur Gedanken zu machen. Das hat bei mir meistens eine große Reduktion und Komprimierung zur Folge. Was macht für Sie eine gute Skulptur aus? Meine eigenen Skulpturen sind dann gut, wenn es Resonanzen zwischen meinen Vorstellungen/Gefühlen und dem fertigen Werk gibt. Arbeiten anderer müssen etwas in mir anregen, auf welcher Ebene auch immer. Das hat nichts mit Art, Material, Gewicht oder Dauer zu tun. Welche Künstler oder Einflüsse haben Ihre Arbeit geprägt? Der Bildhauer Schindler steht als Summe seiner Tage und Erlebnisse im Atelier. Ich frage mich auch manchmal, was mich dahin geführt hat. Ich weiß allerdings, dass ich hier richtig bin. Ich glaube, meine Arbeiten entstehen nicht aus der Auseinandersetzung mit dem Werk anderer Bildhauer. Die Quellen aus denen ich meine Arbeiten schöpfe, speisen sich aus dem Strom einer langen Entwicklung der eigenen Person. Es gibt natürlich einige Bildhauer zu denen ich eine große Nähe und Vertrautheit spüre, z.B. Brancusi, Chillida, Mestre oder Prantl. Bei diesen Bildhauern gibt es Arbeiten, die ich selbst gerne geschaffen hätte. Wie erleben Sie das Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft heute? Die Bilder, die ich in Stein haue, erzählen Geschichten, vermitteln Emotionen, Gedanken und Ideen, pflegen Traditionen, erschaffen noch nie da gewesenes, etc. Von einem kleinen Teil meiner mich umgebenden Gesellschaft fühle ich mich wahrgenommen, wertgeschätzt und manchmal auch richtig verstanden. Ein großer Teil der Gesellschaft hat nach meiner Beobachtung kein Rüstzeug und Zutrauen meinem „nicht zweckdienlichen Zeugs“ zu begegnen. Gibt es ein neues Werk – ein Herzensprojekt – das Sie verwirklichen möchten? Es gibt nicht das eine Herzensprojekt, sondern einige Arbeiten, die auf Entwicklung und Umsetzung warten. Wünschen würde ich mir ein kontinuierliches Arbeiten über einen längeren Zeitraum, bei dem sich eins aus